Liebe Leserinnen und Leser! Nicht jeder ist des zweiten Falles mächtig, aber wenigstens doch dem dritten. Und genau deswegen - um nicht zu sagen demwegen - gehen Dativ und Genitiv nun in eine neue Runde. Zum vierten Mal. Und Sie können bei diesem spannenden Kampf wieder hautnah mit dabei sein! Ich komme ja inzwischen recht viel herum. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und in der Schweiz. Im vergangenen Jahr habe ich sogar eine Südamerika-Tournee gemacht. Dieses Jahr war ich zu Lesungen in Spanien und in Ägypten. Fast überall auf der Welt leben Deutsche, und fast überall auf der Welt macht man sich Gedanken darüber, wie man sich der deutschen Sprache richtig bedient. Als ich mich vor einiger Zeit auf Einladung der Deutschen Schule in Palma de Mallorca aufhielt und mich in einem Straßencafe auf meinen Vortrag vorbereitete, setzte sich ein deutsches Urlauberpaar aus Berlin zu mir an den Tisch. Die Frau zeigte sogleich großes Interesse an meinen Unterlagen: »Woran schreiben Sie denn da?«, wollte sie wissen. Ich erklärte ihr, dass ich Geschichten über die deutsche Sprache verfasse und dass ich damit auf Tournee gehe und gelegentlich sogar im Fernsehen auftrete. Da sagte der Mann anerkennend: »Ich finde es richtig, dass sich mal jemand dem Thema deutsche Sprache annimmt!« Seine Frau blickte ihn leicht entsetzt von der Seite an und berichtigte: »Des Themas deutsche Sprache!« Woraufhin er nur zustimmend nickte und erwiderte: »Ja, das auch!« Bei einer anderen Gelegenheit wurde ich gefragt, ob ich denn tatsächlich auf jede Frage eine Antwort habe. Nein, das habe ich natürlich nicht. Manchmal kann ich mich nur auf mein Bauchgefühl verlassen, und das ist nicht immer unbedingt auf dem neuesten Stand. Unlängst erhielt ich einen Anruf von einem Polizeioberrat aus Hessen, der von mir wissen wollte, ob die Anleitung für den Umgang mit Diensthunden, an der seine Behörde zurzeit arbeite, ein Leitfaden für das Diensthundwesen sei oder für das Diensthundewesen - ob das Wort also mit einem »e« zwischen Hund und Wesen geschrieben werden müsse oder nicht. Da kamen mir zunächst andere Zusammensetzungen mit dem Wort »Hund« in den Sinn: Hundeleine, Hundefutter, Hundemarke - die werden immer mit der Hunde Mehrzahl gebildet. Selbst die Hundesteuer ist keine Hundsteuer, obwohl die Juristen doch sonst so beharrlich jedes Fugenzeichen vor der Steuer tilgen: Einkommensteuer statt Einkommenssteuer, Grunderwerbsteuer statt Grunderwerbssteuer usw. Ich konnte keinen Grund erkennen, weshalb ein Diensthund sprachlich anders behandelt werden sollte als ein ganz gewöhnlicher Hund, daher riet ich dem Polizeioberrat, die Hunde auch in dienstlichen Zusammenhängen in die Mehrzahl zu setzen und seinen Leitfaden um das Diensthundewesen zu wickeln. »Darf ich mich auf Sie berufen?«, fragte er. Das dürfe er gern, erwiderte ich und legte auf. Anderntags ging ich mit meinem Neffen in den Zoo. Als es zu klären galt, wo wir uns wiedertreffen wollten, sollten wir in der Menge getrennt werden, machte ich den Vorschlag: »Am Nilpferdbecken!« Und da durchfuhr es mich plötzlich: Ich hatte wie selbstverständlich »Nilpferdbecken« gesagt. Nicht etwa »Nilpferdebecken«, obwohl ich doch bei jeder einfachen Zusammensetzung das Pferd in die Mehrzahl setzen würde: Pferdewiese, Pferderennen, Pferdehafer, Pferdewurst. Beim Nilpferd aber habe ich mich intuitiv für die Einzahl entschieden, obwohl in dem Becken garantiert nicht nur ein einziges Nilpferd herumplantscht. Trotzdem hörte es sich nicht falsch an. Offenbar gab es eine Regel, die es erlaubte, ein Tier bei Zusammensetzungen in der Einzahl zu lassen, und zwar wenn dem Tier (wie hier dem Pferd) ein Bestimmungswort (Nil) vorausging. Demnach musste es auch erlaubt sein, vom »Diensthundwesen« zu sprechen. Zu dumm, dass ich mir die Telefonnummer des Polizeioberrats nicht notiert hatte. So konnte ich ihn nicht mehr anrufen, um