Lenore fuhr im Morgenrot Empor aus schweren Träumen: ''Bist untreu Wilhelm oder tot, Wie lange willst du säumen?'' Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht Und hatte nicht geschrieben Ob er gesund geblieben.
So wütete Verzweifelung Ihr in Gehirn und Adern. Sie fuhr mit Gottes Fürsehung Vermessen fort zu hadern. Zerschlug den Busen und zerrang Die Hand bis Sonnenuntergang Bis auf am Himmelsbogen Die goldenen Sterne zogen.
Und draußen, horch, ging's Trapp trapp trapp Als wie von Rosses Hufen Und klirrend stieg ein Reiter ab An des Geländers Stufen. Und horch, und horch, den Pfortenring Ganz lose leise klingeling Dann kamen durch die Pforte Vernehmlich diese Worte:
''Holla, holla, tu auf mein Kind Schläfst Liebchen oder wachst du? Wie bist noch gegen mich gesinnt Und weinest oder lachst du?'' ''Ach Wilhelm, du so spät bei Nacht? Geweinet hab' ich und gewacht Ach, großes Leid erlitten. Wo kommst du hergeritten?''
''Wir satteln nur um Mitternacht, Weit ritt ich her von Böhmen. Ich habe spät mich aufgemacht Und will dich mit mir nehmen!'' ''Ach Wilhelm, erst herein geschwind Den Hagedorn durchsaust der Wind, Herein in meinen Armen Herzliebster zum erwarmen.''
''Lass sausen durch den Hagedorn Lass sausen, Kind, lass sausen. Der Rappe scharrt, es klirrt der Sporn Ich darf allhier nicht hausen. Komm, schürze, spring und schwinge dich Muss heut noch hundert Meilen Mit dir ins Brautbett eilen''
Schön Liebchen schürzte sprang Und schwang sich auf das Ross behende. Wohl um den trauten Reiter schwang sie ihre Lilienhände Und hurre hurre, hopp hopp hopp Ging's fort im sausenden Galopp Dass Ross und Reiter schnoben Und Kies und Funken stoben.
Zur rechten und zur linken Hand Vorbei an ihren Blicken Wie flogen Anger, Heid und Land Wie donnerten die Brücken! ''Graut Liebchen auch Der Mond scheint hell Hurra, die Toten reiten schnell Graut Liebchen auch vor Toten?'' ''Ach nein, doch lass die Toten.''
Rasch auf ein gittern Eisentor Ging's mit verhängtem Zügel Mit schwanker Gert' ein Schlag davor Zersprengte Schloss und Riegel. Die Flügel flogen klirrend auf Und über Gräber ging der Lauf Es blinkten Leichensteine Rund im Mondenscheine
Da sieh, da sieh! Im Augenblick Huhu, ein grässlich Wunder! Des Reiters Koller Stück für Stück Fiel ab wie mürber Zunder. Zum Schädel ohne Zopf und Schopf Zum nackten Schädel ward sein Kopf Sein Körper zum Gerippe Mit Stundenglas und Hippe.
Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp Und sprühte Feuerfunken Und Hui! war's unter ihr hinab Verschwunden und Versunken Geheul, Geheul aus hoher Luft Gewinsel kam aus tiefer Gruft Lenorens Herz mit Beben Rang zwischen Tod und Leben
Es tanzten nun im Mondenglanz Rundherum im Kreise Die Geister einen Kettentanz Und heulten diese Weise: ''Graut Liebchen auch Der Mond scheint hell Hurra, die Toten reiten schnell Graut Liebchen auch vor Toten?'' ''Oh weh, lass ruhn' die Toten.''