In vielen westlichen Gesellschaften werden immer weniger Kinder geboren. Ein Grund dafür ist, dass die Mütter immer älter werden. Denn Beruf und Familie lassen sich oft nur schwer vereinbaren. Manche Frauen lassen deswegen ihre Eizellen einfrieren, wenn sie noch jung sind. Später können sie diese künstlich befruchten lassen und schwanger werden. „Social Freezing“ nennt man das. Die US-Firma Facebook bezahlt diese Behandlung sogar, wenn ihre Mitarbeiterinnen sich dafür entscheiden.
Die Methode des Social Freezings ist noch neu. Deshalb gibt es bisher keine Studien, die sichere Aussagen über ihren Erfolg erlauben, erklärt die Ärztin Katrin van der Ven. Ob man durch die Methode ein gesundes Kind bekommt, ist von vielen Faktoren abhängig: Wichtig ist, wie alt die Frau war, als man ihr die Eizellen entnommen hat, so van der Ven. Auch das Alter des Mannes ist entscheidend. Bestimmte genetische Krankheiten kommen öfter vor, wenn der Vater alt ist, erklärt sie. Die künstliche Befruchtung ist ebenfalls ein Risiko. Denn es kommt dabei oft zu Fehlgeburten.
Katrin van der Ven hat selbst zwei Kinder und weiß, wie schwer es ist, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Sie findet zwar, dass Social Freezing keine optimale Lösung ist. Sie sagt aber auch: „Es stellt für Betroffene im Augenblick eine gute Option dar“. Sie meint sogar, dass Frauen, die gleichzeitig Kinder und Erfolg im Beruf wollen, kaum eine andere Möglichkeit haben.
Joachim Boldt vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg ist anderer Meinung: „Social Freezing ist nicht per se schlecht, aber wir müssen aufpassen“, sagt er. Für ihn besteht die Gefahr, dass Firmen durch diese Möglichkeit Druck auf Frauen ausüben können, die Familienplanung zu verschieben. Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass Frauen Beruf und Familie heute nicht mehr vereinbaren können. Dafür ist auch eine gesellschaftliche Lösung nötig, so der Wissenschaftler.
Glossar
Karriere, -n (f.) – der berufliche Weg; der Erfolg im Beruf
Eizelle, -n (f.) – die Zelle des weiblichen Körpers, die zur Fortpflanzung nötig ist
etwas ein|frieren – etwas (z. B. Essen) bei unter 0 Grad kühlen und so haltbar machen
sich vereinbaren lassen – so organisiert sein, dass etwas gut zu etwas anderem passt
etwas künstlich befruchten – hier: die weibliche Zellen (Ei) mit den männlichen Zellen (Samen) außerhalb des Körpers zusammenbringen (Substantiv: die künstliche Befruchtung)
schwanger – so, dass im Bauch einer Frau ein Kind wächst
Studie, -n (f.) – eine wissenschaftliche Untersuchung zu einem bestimmten Thema
etwas erlauben – etwas zulassen; hier auch: etwas möglich machen
von etwas abhängig sein – von etwas beeinflusst werden
Faktor, -en (m.) – etwas, das auf eine andere Sache Einfluss hat; der Umstand
etwas entnehmen – etwas aus etwas herausnehmen
entscheidend sein – ein wichtiger →Faktor sein; wichtig sein
genetisch – so, dass es mit dem Erbgut zu tun hat
Fehlgeburt, -en (f.) – das zu frühe Ende einer Schwangerschaft mit dem Tod des Kindes
(mehrere Dinge) unter einen Hut bringen – umgangssprachlich für: es schaffen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun
optimal – am besten
etwas dar|stellen – hier: etwas bedeuten; etwas sein
Betroffene, -n (m./f.) – die Person, um die es geht
Option, -en (f.) – eine Möglichkeit
per se – an sich; grundsätzlich
Druck auf jemanden aus|üben – versuchen, jemanden zu zwingen, etwas zu tun
die Familienplanung verschieben – erst später Kinder bekommen
Fragen zum Text
1. Was steht im Text? Manche Frauen nutzen Social Freezing, um die Familienplanung zu verschieben, weil … a) sie keinen festen Partner haben. b) sie erst eine gute