"Des Knaben Wunderhorn" - Part 9: "Lied des Verfolgten im Turm" (Dietrich Fischer-Dieskau, Berliner Philarmoniker)
Der Gefangene: Die Gedanken sind frei, Wer kann sie erraten? Sie rauschen vorbei Wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, Kein Jäger sie schießen; Es bleibet dabei, Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen: Im Sommer ist gut lustig sein Auf hohen wilden Heiden, Dort findet man grün Plätzelein, Mein herzverliebtes Schätzelein, Von dir mag ich nit scheiden.
Der Gefangene: Und sperrt man mich ein Im finstern Kerker, Dies alles sind nur, Dies alles sind nur Vergebliche Werke; Denn meine Gedanken Zerreißen die Schranken Und Mauern entzwei, Die Gedanken sind frei, Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen: Im Sommer ist gut lustig sein Auf hohen wilden Bergen; Man ist da ewig ganz allein, Man hört da gar kein Kindergeschrei, Die Luft mag einem da werden.
Der Gefangene: So sei es, wie es will, Und wenn es sich schicket, Nur alles in der Still; Und was mich erquicket, Mein Wunsch und Begehren Niemand kann's mir wehren; Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei, Die Gedanken sind frei.
Das Mädchen: Mein Schatz, du singst so fröhlich hier Wie's Vögelein in dem Grase; Ich steh so traurig bei Kerkertür, Wär ich doch tot, wär ich bei dir, Ach, muß ich denn immer klagen?
Der Gefangene: Und weil du so klagst, Der Lieb ich entsage, Und ist es gewagt, Und ist es gewagt, So kann mich nicht plagen! So kann ich im Herzen Stets lachen, bald scherzen; Es bleibet dabei, Es bleibet dabei, Die Gedanken sind frei, Die Gedanken sind frei.