Als es hell in Maries Zimmer wurde, sah ich, wie arm sie wirklich waren: sie hatte drei Kleider im Schrank hängen: das dunkelgrüne, von dem ich das Gefühl hatte, es schon seit einem Jahrhundert an ihr gesehen zu haben, ein gelbliches, das fast ganz verschlissen war, und das merkwürdige dunkelblaue Kostüm, das sie immer in der Prozession trug, der alte flaschengrüne Wintermantel und nur drei Paar Schuhe. Einen Augenblick lang spürte ich die Versuchung aufzustehen, die Schubladen zu öffnen und mir ihre Wäsche anzusehen, aber dann ließ ich es. Ich glaube, nicht einmal, wenn ich mit einer Frau richtig verheiratet wäre, würde ich mir deren Wäsche ansehen. Ihr Vater hustete schon lange nicht mehr. Es war schon sechs vorüber, als Marie endlich aus dem Badezimmer kam. Ich war froh, daß ich mit ihr getan hatte, was ich immer mit ihr hatte tun wollen, ich küßte sie und war glücklich, daß sie lächelte. Ich spürte ihre Hände an meinem Hals: eiskalt, und ich fragte sie flüsternd: »Was hast du denn gemacht?« Sie sagte: »Was soll ich wohl gemacht haben, ich habe die Bettwäsche ausgewaschen. Ich hätte dir gern frische gebracht, aber wir haben nur vier Paar, immer zwei auf den Betten und zwei in der Wäsche.« Ich zog sie neben mich, deckte sie zu und legte ihre eiskalten Hände in meine Achselhöhlen, und Marie sagte, dort lägen sie so wunderbar, warm wie Vögel in einem Nest. ... Dann fing sie ganz plötzlich an zu weinen... und ich fragte nicht, warum sie weine. Ich wußte es: sie hatte diese Mädchengruppe schon ein paar Jahre und war immer mit der Prozession gegangen, hatte bestimmt mit den Mädchen dauernd von der Jungfrau Maria gesprochen - und nun kam sie sich wie eine Betrügerin oder Verräterin vor. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm es für sie war. Es war wirklich schlimm, aber ich hatte nicht länger warten können. Ich sagte, ich würde mit den Mädchen sprechen, und sie schrak hoch und sagte: »Was - mit wem?« - »Mit den Mädchen aus deiner Gruppe«, sagte ich, »es ist wirklich eine schlimme Sache für dich, und wenn es hart auf hart kommt, kannst du meinetwegen sagen, ich hätte dich vergewaltigt.« Sie lachte und sagte: »Nein, das ist Unsinn, was willst du denn den Mädchen sagen?« Ich sagte: »Ich werde nichts sagen, ich werde einfach vor ihnen auftreten, ein Paar Nummern vorführen und Imitationen machen, und sie werden denken: Ach, das ist also dieser Schnier, der mit Marie diese Sache getan hat - dann ist es schon ganz anders, als wenn da nur herumgeflüstert wird.« Sie überlegte, lachte wieder und sagte leise: »Du bist nicht dumm.« Dann weinte sie plötzlich wieder und sagte: »Ich kann mich hier nicht mehr blicken lassen.« Ich fragte: »Warum?« aber sie weinte nur und schüttelte den Kopf. Ihre Hände in meinen Achselhöhlen wurden warm, und je wärmer ihre Hände wurden, desto schläfriger wurde ich. Bald waren es ihre Hände, die mich wärmten, und als sie mich wieder fragte, ob ich sie denn liebe und schön fände, sagte ich, das sei doch selbstverständlich, aber sie meinte, sie höre das Selbstverständliche so gern, und ich murmelte schläfrig, ja, ja, ich fände sie schön und liebte sie.