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Heinrich Böll - Ansichten eines Clowns - 46 | Текст песни

Ich seufzte und sagte: »Sabine, ich bin vollkommen ruiniert, beruflich, seelisch, körperlich, finanziell... ich bin...«
»Wenn du wirklich Hunger hast«, sagte sie, »dann weißt du doch hoffentlich, wo immer ein Töpfchen Suppe für dich auf dem Herd steht.« Ich schwieg, ich war gerührt, es klang so ehrlich und trocken. »Hörst du?« sagte sie.
»Ich höre«, sagte ich, »und ich werde spätestens morgen mittag kommen und mein Töpfchen Suppe essen. Und wenn ihr noch einmal jemand braucht, der auf die Kinder aufpassen muß, ich - ich«, ich stockte. Ich konnte ja schlecht, was ich immer umsonst für sie getan hatte, jetzt für Geld anbieten, und die idiotische Geschichte mit dem Ei, das ich Gregor gegeben hatte, fiel mir ein. Sabine lachte und sagte: »Na, sag's doch.«
Ich sagte: »Ich meine, wenn ihr mich bei Bekannten empfehlen könntet, ich habe ja Telefon - und ich mach's so billig wie jeder andere.«
Sie schwieg, und ich konnte gut merken, daß sie erschüttert war. »Du«, sagte sie, »ich kann nicht mehr lange sprechen, aber sag mir doch - was ist denn passiert?«
Offenbar war sie die einzige in Bonn, die Kosterts Kritik nicht gelesen hatte, und mir fiel ein, daß sie ja gar nicht wissen konnte, was zwischen Marie und mir geschehen war. Sie kannte ja keinen aus dem Kreis.
»Sabine«, sagte ich, »Marie ist von mir weg - und hat einen gewissen Züpfner geheiratet.«
»Mein Gott«, rief sie, »das ist doch nicht wahr.«
»Es ist wahr«, sagte ich.
Sie schwieg, und ich hörte, wie gegen die Tür der Telefonzelle gebumst wurde. Sicher irgendein Idiot, der seinem Skatbruder mitteilen wollte, wie er das Herz Solo ohne drei hätte gewinnen können.
»Du hättest sie heiraten sollen«, sagte Sabine leise, »ich meine - ach, du weißt, was ich meine.«
»Ich weiß«, sagte ich, »ich wollte ja, aber dann kam heraus, daß man diesen verfluchten Schein vom Standesamt haben muß, und daß ich unterschreiben, verstehst du, unterschreiben mußte, die Kinder katholisch erziehen zu lassen.«
»Aber es ist doch nicht daran gescheitert?« fragte sie. Das Bumsen an der Tür der Telefonzelle wurde stärker.
»Ich weiß nicht«, sagte ich, »der Anlaß war's schon - aber es kommt wohl vieles hinzu, was ich nicht verstehe. Häng jetzt ein, Sabinchen, sonst bringt dich dieser erregte deutsche Mensch an der Tür noch um. Es wimmelt von Unholden in diesem Land.« - »Du mußt mir versprechen, zu kommen«, sagte sie, »und denk daran: dein Süppchen steht den ganzen Tag auf dem Feuer.« Ich hörte, daß ihre Stimme schwach wurde, sie flüsterte noch: »Wie gemein, wie gemein«, aber sie hatte offenbar in ihrer Verwirrung nicht den Hörer .auf die Gabel gelegt, nur auf das Tischchen, auf dem immer das Telefonbuch liegt. Ich hörte den Kerl sagen: »Na, endlich«, aber Sabine schien schon weg zu sein. Ich schrie ins Telefon laut: »Hilfe, Hilfe«, mit einer schrillen, hohen Stimme, der Kerl fiel drauf rein, nahm den Hörer auf und sagte: »Kann ich etwas für Sie tun?« Seine Stimme klang seriös, gefaßt, sehr männlich, und ich konnte riechen, daß er irgendetwas Saures gegessen hatte, eingelegte Heringe oder etwas ähnliches. »Hallo, hallo«, sagte er, und ich sagte: »Sind Sie Deutscher, ich spreche grundsätzlich nur mit deutschen Menschen.«
»Das ist ein guter Grundsatz«, sagte er, »wo fehlt's denn bei Ihnen?«
»Ich mache mir Sorgen um die CDU«, sagte ich, »wählen Sie auch fleißig CDU?«
»Aber das ist doch selbstverständlich«, sagte er beleidigt, und ich sagte: »Dann bin ich beruhigt«, und legte auf.

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