Ich sagte: »Es hat mir aber geholfen.« »Wobei?« fragte er. »Seelisch«, sagte ich. »Quatsch«, sagte er, »lassen Sie doch die Seele aus dem Spiel. Wir könnten natürlich Mainz wegen Vertragsbruchs verklagen und würden wahrscheinlich gewinnen - aber ich rate ab. Ein halbes Jahr Pause - und ich baue Sie wieder auf.« »Und wovon soll ich leben?« fragte ich. »Na«, sagte er, »ein bißchen wird Ihr Vater doch rausrücken.« »Und wenn ers nicht tut?« »Dann suchen Sie sich eine nette Freundin, die Sie so lange aushält.« »Ich würde lieber tingeln gehen«, sagte ich, »über Dörfer und Städtchen, mit dem Fahrrad.« »Sie täuschen sich«, sagte er, »auch in Dörfern und Städtchen werden Zeitungen gelesen, und im Augenblick werde ich Sie nicht für zwanzig Mark den Abend an Jünglingsvereine los.« »Haben Sie's versucht?« fragte ich. »Ja«, sagte er, »ich habe den ganzen Tag Ihretwegen telefoniert. Nichts zu machen. Es gibt nichts Deprimierenderes für die Leute als einen Clown, der Mitleid erregt. Das ist wie ein Kellner, der im Rollstuhl kommt und Ihnen Bier bringt. Sie machen sich Illusionen.« »Sie nicht?« fragte ich. Er schwieg, und ich sagte: »Ich meine, wenn Sie annehmen, nach einem halben Jahr könnte ichs wieder probieren.« »Vielleicht«, sagte er, »aber es ist die einzige Chance. Besser wäre, ein ganzes Jahr warten.« »Ein Jahr«, sagte ich, »wissen Sie, wie lange ein Jahr dauert?« - »Dreihundertfünfundsechzig Tage«, sagte er, und er wendete mir wieder rücksichtslos sein Gesicht zu. Der Bieratem ekelte mich an. »Wenn ichs unter einem anderen Namen versuchte«, sagte ich, »mit einer neuen Nase und anderen Nummern. Lieder zur Guitarre und ein bißchen Jonglieren.« »Quatsch«, sagte er, »Ihre Singerei ist zum Heulen und Ihr Jonglieren ist purer Dilettantismus. Alles Quatsch. Sie haben das Zeug zu einem ganz guten Clown, vielleicht sogar zu einem guten, und melden Sie sich nicht wieder bei mir, ehe Sie nicht mindestens ein Vierteljahr lang täglich acht Stunden trainiert haben. Ich komme dann und schau mir Ihre neuen Nummern an - oder alte, aber trainieren Sie, lassen Sie die blöde Sauferei.« Ich schwieg. Ich hörte ihn keuchen, an seiner Zigarette ziehen. »Suchen Sie sich wieder so eine treue Seele«, sagte er, »wie das Mädchen, das mit Ihnen gereist ist.« »Treue Seele«, sagte ich. »Ja«, sagte er, »alles andere ist Quatsch. Und bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten ohne mich fertig werden und in miesen Vereinen herumtingeln. Das geht drei Wochen gut, Schnier, da können Sie bei Feuerwehrjubiläen ein bißchen Unsinn machen und mit dem Hut rumgehen. Sobald ichs erfahre, schnüre ich Ihnen das alles ab.« »Sie Hund«, sagte ich. »Ja«, sagte er, »ich bin der beste Hund, den Sie finden können, und wenn Sie anfangen, auf eigne Faust tingeln zu gehen, sind Sie in spätestens zwei Monaten vollkommen erledigt. Ich kenn das Geschäft. Hören Sie?« Ich schwieg. »Ob Sie hören?« fragte er leise. »Ja«, sagte ich. »Ich habe Sie gern, Schnier«, sagte er, »ich habe gut mit Ihnen gearbeitet - sonst würde ich nicht ein so kostspieliges Telefongespräch mit Ihnen führen.« »Es ist sieben vorbei«, sagte ich, »und der Spaß kostet Sie schätzungsweise zwei Mark fünfzig.« »Ja«, sagte er, »vielleicht drei Mark, aber im Augenblick würde kein Agent so viel an Sie legen. Also: in einem Vierteljahr und mit mindestens sechs tadellosen Nummern. Quetschen Sie aus Ihrem Alten soviel raus, wie Sie können. Tschüs.« Er hing tatsächlich ein. Ich hielt den Hörer noch in der Hand, hörte das Tuten, wartete, legte nach langem Zögern erst auf. Er hatte mich schon ein paar Mal beschwindelt, aber nie belogen. Erst als ich aufgelegt hatte, wurde mir klar, daß er der erste war, mit dem ich gern noch länger telefoniert hätte.