Schoenberg: Erwartung, Op. 17 - 7. Du Siehst Wieder Dort Hin?
(rast plötzlich:) Du siehst wieder dort hin? … (Nach dem Balkon:) Wo ist sie denn … die Hexe, die Dirne … die Frau mit den weißen Armen … (höhnisch:) Oh, du liebst sie ja die weißen Arme … wie du sie rot küßt … (Mit geballten Fäusten:) Oh, du … du … du Elender, du Lügner … du … Wie deine Augen mir ausweichen! … Krümmst du dich vor Scham? … (Stößt mit dem Fuß gegen ihn:) Hast sie umarmt … Ja? … (von Ekel geschüttelt:) so zärtlich und gierig … und ich wartete … Wo ist sie hingelaufen, als du im Blut lagst? … Ich will sie an den weißen Armen herschleifen … so (Gebärde; zusammenbrechend:) Für mich ist kein Platz da … (schluchzt auf:) Oh! nicht einmal die Gnade, mit dir sterben zu dürfen … (Sinkt nieder, weinend:) Wie lieb, wie lieb ich dich gehabt hab’ … Allen Dingen ferne lebte ich … allem fremd … (in Träumerei versinkend:) Ich wußte nichts als dich … dieses ganze Jahr … seit du zum ersten Mal meine Hand nahmst … oh, so warm … nie früher liebte ich jemanden so … Dein Lächeln und dein Reden … ich hatte dich so lieb … (Stille und Schluchzen. Dann leise, sich aufrichtend:) Mein Lieber … mein einziger Liebling … hast du sie oft geküßt? … während ich vor Sehnsucht verging … (Flüsternd:) Hast du sie sehr geliebt? (Flehend:) Sag nicht: ja … Du lächelst schmerzlich … Vielleicht hast du auch gelitten … vielleicht rief dein Herz nach ihr … (Stiller, warm:) Was kannst du dafür? … Oh, ich fluchte dir … Aber dein Mitleid machte mich glücklich … Ich glaubte, war im Glück … (Stille. Dämmerung links im Osten. Tief am Himmel Wolken, von schwachem Schein durchleuchtet, gelblich schimmernd wie Kerzenlicht. Sie steht auf:) Liebster, Liebster, der Morgen kommt … Was soll ich allein hier tun? … In diesem endlosen Leben … in diesem Traum ohne Grenzen und Farben … denn meine Grenze war der Ort, an dem du warst … und alle Farben der Welt brachen aus deinen Augen … Das Licht wird für alle kommen … aber ich allein in meiner Nacht? …