Wie jeden Morgen war er pünktlich dran, Die Kollegen sah‘n ihn fragend an: „Sag mal, hast du noch nicht geseh‘n, was in der Zeitung steht?“ Er schloß die Türe hinter sich, Hängte Hut und Mantel in den Schrank, fein säuberlich, Setzte sich, „na, woll‘n wir erst mal seh‘n, was in der Zeitung steht!“ Und da stand es fett auf Seite zwei: „Finanzskandal!“, sein Bild dabei Und die Schlagzeile: „Wie lang das wohl so weitergeht?!“ Er las den Text, und ihm war sofort klar: Eine Verwechslung, nein, da war kein Wort von wahr, Aber, wie kann etwas erlogen sein, was in der Zeitung steht?
Er starrte auf das Blatt, das vor ihm lag, Es traf ihn wie ein heimtückischer Schlag, Wie ist es möglich, daß so etwas in der Zeitung steht? Das Zimmer ringsherum begann sich zu dreh‘n, Die Zeilen konnte er nur noch verschwommen seh‘n, Wie wehrt man sich nur gegen das, was in der Zeitung steht? Die Kollegen sagten, „Stell dich einfach stur!“ Er taumelte zu seinem Chef, über den Flur: „Aber, selbstverständlich, daß jeder hier zu Ihnen steht! Ich glaub‘, das beste ist, Sie spannen erst mal aus, Ein paar Tage Urlaub, bleiben Sie zu Haus‘, Sie wissen ja, die Leute glauben gleich alles, nur weil‘s in der Zeitung steht.“
Er holte Hut und Mantel, wankte aus dem Raum, Nein, das war Wirklichkeit, das war kein böser Traum, Wer denkt sich sowas aus, wie das, was in der Zeitung steht? Er rief den Fahrstuhl, stieg ein und gleich wieder aus, Nein, er ging doch wohl besser durch das Treppenhaus,
Da würd‘ ihn keiner sehn, der wüßte, was in der Zeitung steht! Er würde durch die Tiefgarage geh‘n, Er war zu Fuß, der Pförtner würde ihn nicht seh‘n, Der wußte immer ganz genau, was in der Zeitung steht. Er stolperte die Wagenauffahrt rauf, Sah den Rücken des Pförtners, das Tor war auf, Das klebt wie Pech an dir, das wirst du nie mehr los, was in der Zeitung steht.
Er eilte zur U-Bahn-Station, Jetzt wüßten es die Nachbarn schon, Jetzt war‘s im ganzen Ort herum, was in der Zeitung steht. Solange die Kinder in der Schule war‘n, Solange würden sie es vielleicht nicht erfahr‘n, Aber irgendwer hat ihnen längst erzählt, was in der Zeitung steht. Er wich den Leuten auf dem Bahnsteig aus, ihm schien Die Blicke aller richteten sich nur auf ihn, Der Mann im Kiosk da, der wußte Wort für Wort, was in der Zeitung steht. Wie eine Welle war‘s, die über ihm zusammenschlug, Wie die Erlösung kam der Vorortzug! Du wirst nie mehr ganz frei, das hängt dir ewig an, was in der Zeitung steht.
„Was woll‘n Sie eigentlich?“ fragte der Redakteur, „Verantwortung, Mann, wenn ich das schon hör‘! Die Leute müssen halt nicht alles glauben, nur weil‘s in der Zeitung steht! Na schön, so ‘ne Verwechslung kann schon mal passier‘n, Da kannst du auch noch so sorgfältig recherchier‘n, Mann, was glauben Sie, was Tag für Tag für‘n Unfug in der Zeitung steht!“
„Ja“, sagte der Chef vom Dienst, „da ist wirklich zu dumm Aber ehrlich, man bringt sich doch nicht gleich um, Nur weil man aus Verseh‘n was in der Zeitung steht.“ Die Gegendarstellung erschien am Abend schon Fünf Zeilen, mit dem Bedauern der Redaktion, Aber Hand aufs Herz, wer liest, was so klein in der Zeitung steht?