Georg Philipp Telemann (1681-1767) Der Harmonische Gottesdienst 13 Quinquagesimae (Estomihi) Seele, lerne dich erkennen (TWV 1:1258) 1. Cor. 13, 9 u. 10 Kantate für hohe Stimme, Blockflöte und Basso continuo Arie Seele, lerne dich erkennen! Lauter Stückwerk ist zu nennen was der Menschen Witz vermag. Zur Vollkommenheit zu dringen, sind der ird´schen Klugheit Schwingen viel zu schwach. Rezitativ Ein Vögelchen, dem noch die Glieder zu zart und weich, erhebt umsonst sein zitterndes Gefieder, den Alten gleich den höhern Kreis der Lüfte zu zerteilen, obgleich der Wille da, denselben nachzueilen. Nicht anders gehts allhier mit unserm Witz und Wissen. Die nimmer ruhende Begier ist nach dem Höhern stets beflissen; der angebor´ne Stolz will auch die schwersten Sachen sich federleicht, ja, was unmöglich fällt, sich möglich machen. Da unserm Witz wie unserm Leben von Gott doch hier ein Ziel gestellt, das nicht zu überstreben. Es kennt die Welt nur einen Salomon den Gott, um dessen Thron die höchste Weisheit strahlt, den Weisesten genennet, der doch sein Schwachsein selbst bekennet. Ach ja, in dieser Zeit steigt das Erkenntnis nicht zu seiner Völligkeit. Gott läßt uns durch das Sterben, das uns zu nichts zu machen scheint, erst alles erben. Was dunkel war, wird dann ein heller Schein, was Stückwerk hieß, wird ganz, was kindisch, männlich sein. Arie So will ich dich mit Freuden küssen, du Herold der Vollkommenheit! Du zeigst uns Gott in seinem Lichte, von Angesicht zu Angesichte und bringst uns ein vollkomm´nes Wissen bei so vollkomm´ner Seligkeit.